Vorurteile gegen Reptilien und Exotenhaltung
Die Haltung der neuen Exoten (denn jedes gehaltene Haustier ist genau genommen ein Exot), steht unverhältnismäßig stark in der Kritik. Die meisten Probleme haben wir heute bei der Haltung der klassischen Haustiere, was wohl auch daran liegen mag, dass die Haltung von Reptilien, Amphibien und Wirbellosen, soll diese auf Dauer gelingen, ein gewisses Maß an Feingefühl und Fachwissen braucht. Eine Katze geht bei schlechter Haltung nicht so schnell ein, ein grüner Hundskopfschlinger dagegen schon wenn die notwendigen Parameter nur um wenige Grad abweichen.
Dennoch gibt es auch in der Terraristik natürlich schwarze Schafe, jedoch nicht mehr als bei irgendeiner anderen Tierhaltung sonst. Es halten sich vor allem auch wegen der nachdrücklichen Stimmungsmache einiger Medien, ideologisch ausgerichteter politischer Parteien und radikaler Tierrechtler, die nicht selten undifferenziert und äußerst populistisch Halbwahrheiten und sogar gezielte Lügen verbreiten, diverse Vorurteile, von denen ich hier mal eine exemplarisch widerlegen will.
I ) "Die Tiere werden nicht artgerecht gehalten."
Diese Behauptung taucht immer wieder auf, wird aber durch nichts belegt. Weder durch Studien, noch andere glaubhafte Quellen. Leider wird mangels Argumenten dann oft ein Einzelfall herausgekramt, in dem tatsächlich ein Tiermessi seine Exoten schlecht gehalten hat. Diese stehen sicherlich bei den seriösen Haltern (die die überwiegende Mehrheit stellen) selbst, am schärfsten in der Kritik, werfen sie doch ein schlechtes Licht auch auf jene die ihre Tiere ordentlich halten. Das Exoten und insbesondere Reptilien innerhalb der Gruppe der Tierhalter sogar überdurchschnittlich gut gehalten werden, dafür gibt es jedoch Indizien. Zum Einen sei hier die Untersuchung der Exopet-Studie genannt, die die Einhaltung von Standards nach BMEL und artgerechter Haltung untersuchte und gerade Reptilienhalter scheinen hier vorbildlich zu sein. Dies passt auch zu einem weiteren Beleg, nämlich, dass überproportional viele Nachzuchten überleben (bis zu 99%). Die Tatsache, dass eine Nachzucht überhaupt gelingt sagt schon viel aus, denn wer sich an die Zeit vor 40 Jahren erinnert, weiß, dass das keines Wegs selbstverständlich ist. Damals waren Wildfänge keine Seltenheit (was sich glücklicher Weise geändert hat) und eine Nachzucht die überlebt hat, war eine Kunst.
II ) "Illegale Exoten und besonders Reptilienimporte sind ein zentrales Problem im Artenschutz."
Diese Argumentation wird leider immer wieder gebracht und von naiven Menschen schnell und ungeprüft übernommen, entbehrt jedoch jeder Grundlage. Ein Illegaler Import ist ein Verbringen von Tieren nach Deutschland, ohne dass die benötigen Papiere ausgestellt sind. Das muss nicht zwangsläufig daran liegen, dass es sich um ein Wildfang importiert wird. Die Behörden stellen auch dann bei einer nachweislichen Nachzucht keine Dokumente aus, so dass es Lücken bei Eltern oder Urgroßeltern gibt. Z.B. wurde bei WA I Arten die Dokumentationspflicht in Deutschland 2001 eingeführt, in der Schweiz jedoch erst 2007. Als Resultat kann man selbst Linien die seit 30 Jahren in der Schweiz nachweislich gezüchtet werden, nicht legal nach Deutschland importieren, obwohl diese Nachzuchten für den Artenschutz in freier Wildbahn völlig irrelevant sind!
Es gibt also nicht zwangsläufig eine Kausalität zwischen legalem Import und Artenschutz. Dies belegt auch eine Untersuchung "Conservation Status of the Argentine Boa 20 Years After Being Listed in CITES" von Waller, Micucci und Barros (2012), die zu dem Schluss kommt, dass illegale Naturentnahmen heute im Artenschutz eine untergeordnete Rolle spielen. Viel mehr ist Lebensraumzerstörung der Hauptgrund für Artensterben.
Doch auch die Zahl der Importe nach Deutschland sinkt seit Jahren dramatisch, von 2007 bis 2013 um etwa 60% (Statistisches Bundesamt). Diese Importe beinhalten dabei legale Importe, z.B. wenn man eine Nachzucht von einem Schweizer Züchter nach Deutschland überführen will. Der Aufwand ist groß und die Prüfung streng, dass kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Die Zahl der Illegale Importe wird vom WWF auf nur etwa 0,0019% geschätzt, was daran liegt, dass man heute alles was von Interesse für Privathalter ist, als legale Nachzucht erwerben kann.
Ausführlicher bin ich in einem Gastartikel auf dieses Problem eingegangen:
Man kann also sehr wohl sagen, dass Importe mit Artenschutz nicht viel zu tun haben, Zuchtbemühungen von Privathaltern sich jedoch sehr positiv auf die Arterhaltung auswirken.
III ) "Exotische Tier sind gefährlicher und müssen deshalb verboten werden."
Diese Behauptung ist fast schon ein Klassiker, wird jedoch bei genauerem Hinsehen schnell widerlegt. Die Haltung von sog. Gefahrtieren, also Riesenschlangen, Krokodilen und Giftschlangen hat in Deutschland eine sehr lange Tradition und war schon in den 60ern weit verbreitet. So hat der berühmte Dr. Brock damals mehr als 20 Krokodile in der Wohnung gehalten, darunter Arten die alles andere als klein bleiben, gestört hat es niemanden, zu Schaden gekommen ist auch keiner (der Mensch wusste einfach was er tat). Vieles was wir heute über diese faszinierenden Panzerechsen wissen, haben wir den Beobachtungen und Studien von Brock zu verdanken. Heute dagegen muss oft schon die Haltung einer 1,20m langen Würgeschlange behördlich genehmigt werden (die Welt ist beängstigend auf den Kopf gestellt).
Kommen wir mal zu einigen Zahlen und Fakten. Tigerpythons gehören mit einer Länge von bis zu 6m und über 100 Kg Gewicht zu den größten Schlangen der Erde, werden aber seit den 70ern in großer Anzahl in Deutschland gehalten. Es ist kein Fall bekannt, nachdem ein Mensch nachweislich durch sein Tigerpython in Privathaltung jemals getötet wurde in den letzten 50 Jahren, trotz hundert tausendfacher Haltung. Auch hat die Haltung von (meist kleineren) Krokodilen in der Terraristik eine lange Tradition und man schätzt, dass zwischen 500 und 2500 registrierte Krokodile in Privathaltung befindlich sind. Die Dunkelziffer dürfte weit höher sein, nicht aus krimineller Energie, sondern deshalb, weil Krokodile in der Regel 60 bis 80 Jahre (manche sogar 100) werden können und Gefahrtierverbote erst vor rund 20 Jahren eingeführt wurden. Tiere aus Altbeständen wurden über Nacht illegal erklärt, obwohl sie teils schon Jahrzehnte ohne Probleme gehalten wurden. Trotz dieser hohen Anzahl an Tieren ist auch heute noch kein Todesfall in Privathaltung bekannt.
Die Haltung von Giftschlangen genießt sicherlich die längste Tradition und diese werden auch millionenfach gehalten. Nicht selten hat ein Giftschlangenliebhaber 50 und mehr Tiere. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass Giftschlangenhalter zu den professionellsten Tierhaltern gehören und ich bin immer wieder erstaunt wie viel Fachwissen und Weitsicht diese Menschen an den Tag legen, ob mit oder ohne Sachkunde (vermutlich passiert auch deswegen so wenig). Durch Tiergifte kommen in Deutschland im Durchschnitt 1 Mensch alle 7 Jahre (!!!) ums Leben. Giftschlangen sind nur ein Anteil davon (also entsprechend noch weniger).
Vergleicht man diese Zahl mit der Anzahl der getöteten Menschen durch Hunde, Pferde oder anderen Nutztieren (mehrere Dutzend im Jahr), wird einem schnell das auffällige Missverhältnis von Wahrnehmung und Wirklichkeit klar. Wahrscheinlich liegt es daran, dass den Haltern von Kobras die Gefährlichkeit ihrer Tiere bewusst ist, die Halter von Pferden jedoch die Gefahr stark unterschätzten. Betrachtet man die Problematik emotionsfrei, wird schnell klar, dass von sog. Gefahrtieren keine Gefahr ausgeht (die Debatte ist ähnlich dämlich wie jene um sog. Kampfhunde und entbehrt ebenso jeder Grundlage). Wer ernsthaft der Meinung ist, eine 3m und 25 Kg Boa sei gefährlicher als ein 600 Kg Pferd (dessen Haltung nebenbei keinerlei Regelung unterliegt), dem ist nicht mehr zu helfen.
IV ) "Die Haltung und der Handel von Reptilien und Exoten ist in Deutschland völlig unreguliert."
Solche Aussagen lassen leider einen völlig Mangel an Sachverstand erkennen. Es gibt kaum etwas dass so stark reguliert ist und auch kaum einen Bereich der Tierhaltung. Wie oben erwähnt ist die Haltung von z.B. Pferden völlig ungeregelt, man braucht weder Sachkunde, noch Erlaubnis, noch gibt es irgendwelche Kontrollinstanzen, ja sie stellen nicht mal offiziell eine exotische Art dar (diese müssen gemeldet sein, es müssen Papiere über die Herkunft vorliegen und auch regelmäßig aktualisiert werden), was sie jedoch faktisch sind. Nichts ist in Deutschland so stark reguliert und kontrolliert wie Reptilien und Exotenhaltung. Hier nur eine kleine Auswahl:
- TierSchG regelt Haltung, Ernährung, med. Versorgung, Euthanasie u.v.m.
- BMEL Gibt Haltungsrichtlinen an, regelt Mindestgrößen für Dauerhaltung, Quarantäne, Aufzucht, Ausstattung im Terrarium, Kurzzeitverwahungen bei Veräußerung und Erwerb
- EU-Artenschutzverordnung regelt Schutzstatus, welche Papiere benötigt werden, wie Im- und Export durchzuführen sind, ob Dokumentationspflicht besteht , dabei wird auf europäischer Ebene das Washingtoner Artenschutzübereinkommen umgesetzt (was in Teilen auch abweichen kann - EU ist in der Regel strenger und bürokratischer)
- TierSchTrV regelt den Transport, Unterbringung während des Transports, Dauer, Qualifikation die Transportierende haben muss, Gefahrvermeidung, Verpackung der Tiere, u.s.w.
- Leitlinien zu Ausrichtung von Tierbörsen regelt Vorraussetung, Ablauf, Mindestanforderungen, Sicherheitsmaßnahmen, u.v.m. was jede Reptilien und Exotenbörse erfüllen muss und vom Amtsveterinär geprüft und abgenommen werden muss.
- CITES Regelt den Handel mit Exoten und Reptilien, vor allem auch der Nachzuchten . Welche Papiere vorliegen müssen, wie Herkunftsnachweise auszustellen sind, welche Arten es betrifft. Selbst in 20igster Generation fällt eine Nachzucht noch unter diese komplizierte Regelung, die sich nicht selten jährlich ändert.
- BfN regelt die Ein- und Ausfuhr dieser Arten (auch dann wenn es sich um eine Nachzucht handelt, egal in welcher Generation), kontrolliert werden dabei Importeur und Exporteur, Zuchtpapiere, Zuchtbücher, Unterbringung und Abfertigung durch den Zoll (ja, selbst Tiere werden versteuert)
- Untere Naturschutzbehörden regeln die Anmeldung und Abmeldung von Exoten und Reptilien, die bei jeder Adressänderung erneuert werden muss, hat man Nachzuchten, müssen diese ebenfalls gemeldet werden, werden diese an Interessenten abgegeben, muss auch dass gemeldet werden, stirbt ein Tier, muss das dass gemeldet werden. Es gibt nicht nur eine, sondern eine pro Bundesland.
- Gefahrtierverordnungen/Polizeiverordnungen regeln die Tiere die angeblich für die öffentliche Sicherheit eine Gefahr darstellen. Dabei herrscht große Willkür, gefühlt scheint fachfremden Behörden alles gefährlich was sie nicht kennen, akzeptieren aber gleichzeitig viele Tote durch nicht regulierte Arten die Nutztiere. Auch hier gibt es in jedem Bundesland eine andere Regelung die sich auch ständig ändern. Dabei kann ein Tier, dass man sich letztes Jahr angeschafft hat, heute schon verboten sein (siehe Gefahrtierverodnung Berlin wo quasi alles über Nacht verboten wurde). Auch ist nicht klar wer zuständig ist. Meist die Naturschutzbehörden, manchmal aber auch die Polizeibehörden und ganz selten die Ordnungsämter (die jedoch am wenigsten etwas mit der sinnvollen Umsetzung anfangen können).
- Bundesartenschutzverodnung regelt welche Arten wie gemeldet werden müssen und welche ausgenommen sind von der Regelung (die Behörden sind schlicht überfordert, weil es einfach zu viele Tiere in Privathaltung gibt, so hat man beschlossen, die am häufigsten gehaltenen von den Meldepflichten zu befreien, diese sind in Anlage 5 erfasst). Damit wird die EU-Verordnung quasi umgesetzt.
Die Liste lässt sich noch eine ganze Weile fortsetzten. Man erkennt denke ich schnell, dass die Haltung von Exoten und Reptilien eher zu Tode reguliert ist, als dass es keine Regelungen gäbe. Nur das Steuerrecht ist in Deutschland komplizierter.
- Ich werde die Liste bei Zeiten noch mal etwas erweitern -