Terra Serpentes
Terraristik ist mehr als nur ein Hobby

BCC Brasilien

Brasilianische Rotschwanzboas gehören insgesamt zu den vergleichsweise seltenen Vertretern der Boa constrictor constrictor und kommen in sehr vielen Varianten vor. Brasilien ist eines der größten Länder und wir kennen vermutlich nur ein Bruchteil der tatsächlichen Lokalformen. Noch dazu wird aus Brasilien nichts ausgeführt und dass schon seit Jahrzehnten, daher sind die Linien die wir in der Terraristik kennen, recht alt und gehen auf ein paar Importe zurück.

Ein Problem sind die Begriffe und Bezeichnungen die oft durcheinander gehen oder unpräzise sind. So wird die eigene Importlinie von Eugene Besette gerne als "Besette Brasilien" bezeichnet, wobei Besette ein bedeutender Züchter und Händler über Jahrzehnte war und es naiv wäre, anzunehmen, er habe nur eine Brasilianische Rotschwanzboalinie gehabt. Daraus ergeben sich sehr schnell Verwechslungen, ebenso wie die Herkunftsbezeichnung, die oft irreführend ist. Ob Belems wirklich aus Belem kommen (also mitten in der Stadt ist fraglich) oder 50Km oder 150Km entfernt, ist so ein Beispiel. Auch Nordbrasilien oder Südbrasilien ist so ein Beispiel. Als Amarali gelten Boas aus Bolivien, nicht aber solche aus Südbrasilien und sie wurden von den ursprünglichen Importeuren, wie Loyed Lemke, auch nie so bezeichnet (auch wenn der Schuppenschlüssel passt).

Leider wird heute auch vieles aus Marketinggründen geändert, so werden "Dotted line Amaralis" gerne als "Bolivianer" bezeichnet, obwohl die Ursprünge bei Lemke Südbrasilianern liegen und Besette Brasilianer als "North brazil" oder gar "Belem", obwohl diese Linie ganz offensichtlich nicht im Norden von Brasilien vorkommt. Ebenso verhält es sich bei sog. "Sau Paulo Amaralis", die es in reiner Form wahrscheinlich nie in der Terraristik gegeben hat. Oft tauchen solche Tiere dann aus der Versenkung auf, lassen sich aber bisher ohne Ausnahme auf einen US Züchter zurück verfolgen, der schon bei bolivianischen Amaralis für zweifelhafte Ergebnisse (Kurzschwanzboa mit langem Schwanz) bekannt ist. An der Reinheit bestehen erhebliche Zweifel. Will man reine Tiere haben, muss man zu den Ursprünglichen Quellen zurück, bzw. zu den Importeuren, die nachweislich in den 1980ern Brasilianer importiert haben. Da wären zu nennen, Gus Rentfro, Eugene Besette, Loyed Lemke und Ende der 80er Tom Crutchfield (auf einen 1988er Import gehen heute bekannte Nord Brazilian Linien zurück wie die Steve Hammond Linie, aber auch andere - alles ausnahmslos groß werdende Brasilianer). Diesen Quellen kann man trauen und muss entsprechend recherchieren, auch wenn sich der genaue Ort der Naturentnahme nicht mehr feststellen lässt. In Brasilien werden die Boas übrigens nach anderen Kriterien unterschieden und daher auch anders bezeichnet.


Brasilianer der Besette Linie


Sysnonym: Brasilien Rotschwanz Boa, Besette


Herkunft: Brasilien, vermutlich Ostküste Caatinga 

Größe: klein bis Mittel (Besette gilt als eher klein mit kaum mehr als 1,50m)

Männchen ca. 1,10 m bis 1,30 m

Weibchen ca. 1,30 m bis 1,50 m (max. 1,60m)

Schwierigkeitsgrad: * * ° ° ° °

(forgeschritten - heikel in der Aufzucht)

Nur für Leute mit Schlangenerfahrung ist die Haltung zu empfehlen, da Jungtiere sehr anfällig sind.

Friedlichkeit: * * * * * *

(sehr friedlich)

Schutzstatus:  WA II (von der Meldepflicht befreit)

Besonderheit: Die Aufzucht der Jungschlangen gilt als besonders schwierig. Sie gehört zu den kleinsten brasilianischen Rotschwanzboas und ist auffällig hell vom Farbschlag mit hohem Rosaanteil. Die Linie ist bekannt für vergleichsweise kleine Köpfe und kurze Schwänze die an Amaralis erinnern. Die Zucht gilt als äußerst anspruchsvoll. 

Brasilianer die auf Eugene Besette zurück gehen, gelten als wahre Schönheiten, da sie sehr hell bleiben und einen ganz anderen Farbschlag haben, als die eher dunklen Rotschwänze aus Suriname und Guyana. Ein dezentes beigefarben mit hellrot bis hellbraunen Farbtönen und einem Hauch von gelb, bietet eine komplett andere Optik als klassische Rotschwänze. Noch dazu haben die Tiere oft ausgeprägte "Widow-Peaks" und ein äußerst friedliches Gemüt. Außerdem sind die Tiere, dafür dass es sich um reine Rotschwanzboas handelt, ausgesprochen klein. Ich habe 10 jährige Männchen mit kaum 1,20m bei gutem Futterzustand und eines meiner "Riesenweibchen" bringt es auf 1,40m bei knapp 9 Jahren. 

Die Tiere sollen ursprünglich von Eugene Besette bei einem Besuch in Brasilien Anfang der 1980er Jahre (vermutlich 1982 herum), auf einem Markt in Belem erstanden worden sein. Daher die Mutmaßung vieler Terrarianer, dass es sich zweifelsfrei um "Nordbrasilianer" handelt, doch diese "Gewissheit" ist mehr als trügerisch, da Belem als wichtige Handelsstadt gilt und auf den Märkten auch Tiere angeboten wurden, die aus weit entfernten Regionen stammen. Diese Erkenntnis ist in der Form auch bei anderen Rotschwanzboas bekannt, etwa bei peruanischen mit der Bezeichnung "Iquitos" oder "Pucallpa". Die im Norden von Brasilien vorkommenden Rotschwänze sind dagegen wohlbekannt und unterscheiden sich optisch und vor allem auch in ihrer Größe sehr stark von Besette Brasilianern. Der helle Grundfarbton und die auffällig kurzen Schwänze lassen eher vermuten, dass die damals in Belem feilgebotenen Boas ursprünglich aus der Steppenregion im Osten Brasiliens stammen. Die Region, die auch als Caatinga-District bekannt ist, beheimatet tatsächlich eine relativ klein bleibende Boa mit hellem Farbton und kurzem "Amarali-Schwanz". Es ist vermutlich auch kein Zufall dass Bolivianische Amaralis genauso kurze Schwänze haben, wie die Boas aus der Caatinga-Ebene, da die Lebensräume recht ähnlich sind, nämlich eher trocken und steppenartig mit teils kühlerem Klima. Ein langer Schwanz macht in einer Steppe wenig Sinn, in einer stark bewaldeten Region jedoch schon (vgl. Nordbrasilien/Belem). 

Brasilianer dieser Linie gelangten erst mit dem 2003er Wurf von Besette erstmals nach Europa, aber offenbar ohne als solche Bezeichnet worden zu sein, statt dessen wurden sie als "Brasilianische Rotschwanzboa" bezeichnet, was zwar nicht falsch ist, aber in Anbetracht der großen Vielfalt als Brasilianern, auch nicht sehr genau, was der Gefahr der Lokalitätenkreuzung leider Tür und Tor öffnet. Zwar haben Brasilianer eine sehr große Variabilität, doch gibt es auch charakteristische Merkmale und als verantwortungsvoller Züchter, sollte man in der Linie bleiben, wenn die Unterschiede so auffällig sind. In einem späteren Import gelangten nochmals 2010 einige Tiere nach Europa und wurden hier sehr erfolgreich vom Wolfgang Buchhorn nachgezogen. Auf ihn dürften die meisten Besette Brasilianer zurückgehen. 

Erstaunlich fand ich bei meinen Recherchen, wie wenig sich die Besettes die ich bekommen habe (alles geht auf Wolfgang zurück), von den ursprünglichen Eugene Besette Brasilianern unterscheiden. Ich konnte Bilder aus den 90ern auftuen, die sich von den heutigen kaum unterscheiden. 



Nord Brasilien/ Belem

Wie oben bereits angedeutet muss hier angemerkt werden, dass "Belem" eine Bezeichnung ist, die eher Marketing ist, als tatsächlicher Ursprung. Belem ist eine Stadt im Norden von Brasilien (soweit richtig), doch ob jedes Tier, dass auf dem Markt dort erworben wird, wirklich auch wild in der Stadt gefangen wurde, ist mehr als fraglich. Richtig ist, dass es im Norden von Brasilien sehr charakteristische und großwerdende Brasilianer gibt (die sich übrigens von Besettes stark unterscheiden). Diese Nordbrasilianer kommen dort in einem weiten Verbreitungsgebiet vor und werden vergleichsweise groß. Ca. 2,5 bis über 3m sind dokumentiert. Dabei haben die Tiere beeindruckend große Köpfe mit sehr dunklen, rotröten Farbtönen und einer rötlichen Färbung unterhalb der Augen, die charakteristisch ist. Das auffälligste Merkmal ist jedoch der extrem lange Schwanz, den alle Tiere ohne Ausnahme haben (selbst bei den Weibchen wirken die Schwänze vergleichsweise land). 

Sysnonym: Brasilien Rotschwanz Boa, Nord Brasilien, Belem, Amazonasform
Herkunft: Brasilien, Norden, weites Verbreitungsgebiet um Belem herum, teils weit südlich von Belem
Größe: groß bis sehr groß (bis über 3m möglich)
Männchen ca. 2m
Weibchen ca.2,5m bis über 3m
Schwierigkeitsgrad: * * * * * °
(einfach, die Tiere gelten als extrem robust)
Friedlichkeit: * * * * * *
(sehr friedlich)
Schutzstatus:  WA II (von der Meldepflicht befreit)
Besonderheit: Sehr groß werdende Constrictoren mit sehr großen Köpfen und eher dunkler Grundfarbe. Oft ausgeprägte Peaks mit Zeichnung in den Sattelflecken, manche Tiere haben einen starken gelbton. Typisch sind sehr lange, fast peitschenartige Schwänze, die besonders bei den Männchen sehr hervorstechen.


Aus Nordbrasilien sind einige Linien in der Terraristik bekannt. Eine der ersten dürfte die vom Gus Rentfro sein und ebenfalls Anfang der 1980er die Nordbrasilianer von Loyed Lemke. Lemke galt Mitte der 80er Jahre als der Mann wenn es um Brasilianische Rotschwanzboas ging und genießt bis heute, auch in Brasilien unter Kennern, einen exzellenten Ruf. Später gab es noch einen Import vom Crutchfield. auf den die meisten heutigen Nordbrasilianer in den USA zurück gehen (Ende der 80er Jahre). Aus diesem späten Import sind sehr viele Linien hervorgegangen und vermutlich sind so auch einige Exemplare nach Europa gekommen (Nordbrasilianer lassen sich in Deutschland Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre nachweisen, allerdings ist fraglich ob es dort je Nachzuchten gab - die Zucht ist nicht einfach - denn die Spur verliert sich und heute dürften die meisten Nordbrasilianer auf US Linien zurück gehen, vor allem auf den späten Brasilienimport Ende der 80er).

Nordbrasilianische Rotschwanzboas haben insgesamt einen recht dunklen Grundfarbton und wirken dunkelrostbraun bis schwarz, manchmal mit kräftigem gelb. Die Köpfe vor allem der Weibchen sind vergleichsweise gigantisch, aber auch die Männchen haben recht große Köpfe. Die Tiere haben oft eine dunkelrote Färbung unterhalb der Augen, die bei allen Tieren dunkel, fast violett wirkt. Neben den dunkeln Augen sind auch die peitschenlangen Schwänze ein charakteristisches Merkmal. Sogar die Weibchen haben etwas längere Schwänze, als man es vielleicht erwarten würde (was sich am Schuppenschlüssel eindeutig nachweisen lässt). Vom Verhalten her gelten die Tiere als ausgesprochen friedlich und beim Fressen sogar als vergleichsweise sensibel. Statt gierig und mit Wucht nach einem angebotenen Futtertier zu schnappen, wird manchmal nur sehr zaghaft gefressen oder sogar nur dann, wenn ein Futtertier über Nacht ins Terrarium gelegt wird. Ein wirklich außergewöhnliches Verhalten, dass ich so von meinen Rotschwänzen nicht kenne.  





BCC Basilien/ Südbrasilien Lemke

Sysnonym: Brasilien Kurzschwanz Boa, Südbrasilien, Amarali
Herkunft: Brasilien, Süden von Brasilien
Größe: klein bis Mittel (Besette gilt als eher klein mit max. 1,50m)
Männchen ca. 1,20 m bis 1,30 m
Weibchen ca. 1,40 m bis 1,50 m
Schwierigkeitsgrad: * * ° ° ° °
(forgeschritten - etwas temperamentvoll)
Friedlichkeit: * * ° ° ° °

(manchmal sehr temperamentvoll)

Schutzstatus:  WA II (von der Meldepflicht befreit)
Besonderheit: Die Tiere werden oft als Amaralis bezeichnet, doch ist der Status keines Falls gesichert. Obwohl sie Amaralis ähnlich sind, werden sie als BCC Südbrasilien bezeichnet. Es sind recht klein bleibende Boas mit ebenfalls auffällig kurzen Schwänzen.


Mitte der 1980er Jahre war Loyed Lemke die erste Adresse, wenn man sich für brasilianische Boas interessierte. Er hatte die Tiere die er recht oft nachzüchtete, selbst importiert. Ähnlich wie Joe Terry, war Lemke ein Pionier der brasilianischen Rotschwanzboas. Die Fragen über mögliche Vermischung mit anderen Lokalformen, kamen erst sehr viel später auf, lange nach Lemke und durch Nachzuchten, die nicht mehr direkt auf Lemke zurück gehen. Ähnlich wie bei bolivianischen Amaralis kann hier nur nahe gelegt werden, sich an Tieren aus der Ursprungslinie zu orientieren, die absolut charakteristische Merkmale aufweisen. Terry wie auch Lemke haben saubere und gute Tiere nachgezogen und sind über jeden Zweifel erhaben. Was andere Züchter danach daraus gemacht haben, ist eine gänzlich andere Frage. Dass betrifft unteranderem auch die Bezeichnung. So ist von Lemke bekannt, dass er seine "Amaralis" nie als solche bezeichnet hat, sondern immer als "BCC Südbrasilien", auch seine Nordbrasilianer wurden nicht als "Belem" oder ähnliches bezeichnet, sondern eben als "North brazil". Von der Größe und vom Erscheinungsbild passen diese Lemke Nordbrasilianer, tatsächlich zu dem was wir heute aus dem Norden von Brasilien kennen. Genaue Ortsangaben waren damals einfach nicht üblich und auch nicht nötig, da man wusste, dass Brasilianer von Lemke über jeden Zweifel erhaben sind.